Ilona Mari im Interview mit discover GERMANY
discover GERMANY: Wieso sind Sie Fotografin geworden und wie kam es dazu?

Ilona Mari: Zur Fotografie bin ich über Umwege gekommen:

Eigentlich wollte ich Musikerin oder Künstlerin werden, doch für meine Eltern war das nicht „anständig“ genug. Und so habe ich Wirtschaft studiert, um den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Dass das nichts für mich war, wurde mir erst bewusst, als ich kurz vor der Unternehmensübernahme  stand. Und ich begann heimlich ein Architektur-Studium an der TU Wien.

Meine Großeltern schenkten mir dazu eine analoge Spiegelreflexkamera, mit der ich an meinen Architekturprojekten arbeitete. Denn den Großteil meiner Studentenentwürfe habe ich mittels Fotomontagen präsentiert. Die Fotografie war für mich also lange Zeit nur ein Hilfsmittel, um Entwurfs-Ideen darzustellen.

Durch eine Ausschreibung am Kunst-Institut der TU wurde ich dann auf die Lehrgänge in der Schule für Künstlerische Photographie in Wien aufmerksam. Dort eingeschrieben, habe ich meine Experimentierfreudigkeit entdeckt. Dazu habe ich mich nächtelang in einem Keller-WC im Elternhaus eingesperrt, wo ich mir eine kleine Dunkelkammer eingerichtet habe.

discover GERMANY: Was ist das Faszinierende an der Architektur- und Landschafts-Fotografie?

Ilona Mari: Die Liebe zur Architektur- und Landschaftsfotografie ist erst während meiner Auslandsaufenthalte in den letzten Jahren des Architekturstudiums erwacht. In Venedig habe ich Städtebau-Kurse besucht, in Budapest Landschaftsarchitektur studiert. Damals bin ich mit der Kamera immer wieder stundenlang durch die Stadt spaziert und habe mich mit Perspektiven und Gebäudefluchten beschäftigt.

Sichtachsen und Blickbeziehungen sind zentrales Motiv meiner Bilder. Bevor ich den Auslöser meiner Kamera drücke, bewege ich mich oft lange in einem Raum und beobachte dabei, wie sich Objekte in das Sichtfeld schieben, oder wie immer neue Fluchtpunkte entstehen. So kann ich die räumlichen Gegebenheiten erfassen und zu einem zweidimensionalen Bild zusammensetzen.

Je nachdem, wie ich den Aufnahmepunkt für mein Bild wähle, haben die Räume unterschiedliche Aussagen. Es führen Wege durch die Szene, und oft gibt es einen Ausweg. „Ein jeder trägt seinen Fluchtpunkt mit sich“, sagte der schweizer Künstler Alfons Schilling einmal bei einem Workshop über das Sehen. Dieses Spiel mit der Perspektive fasziniert mich am Fotografieren von Räumen.

discover GERMANY: Wo liegt Ihr fotografischer Schwerpunkt?

Ilona Mari: Mein fotografischer Schwerpunkt liegt bei Räumen: Stadträume, Landschaften, Architektur und Innenräume. Ich fotografiere Wohnimmobilien, öffentliche und historische Gebäude, Geschäftslokale und vor allem Urlaubsobjekte, wie Ferienhäuser und -wohnungen oder kleine Pensionen und Boutiquehotels.

Dabei versuche ich bei jeder Arbeit den Charakter des Raumes herauszustreichen. Wo befindet sich ein Gebäude? Wozu dient ein Raum? Und wer nützt ihn? Auch wenn in meinen Fotos meist keine Menschen abgebildet sind, so versuche ich dennoch, etwas über die Personen auszusagen, die die dargestellten Räume benützen.

Meine große Leidenschaft liegt bei historischen Objekten. Jedes Haus hat seine Geschichte, und je älter das Gebäude, desto abwechslungsreicher ist diese. Es fasziniert mich, diese Geschichten zu ergründen und in meinen Bildern wiederzugeben.

discover GERMANY: Wer sind Ihre Auftraggeber?

Ilona Mari: Meine Leistungen biete ich vor allem für Reiseveranstalter und Anbieter von Ferienhäusern und -wohnungen an. Ich fotografiere Ferienobjekte und ihre Umgebung für die Präsentation auf Urlaubsplattformen. Dazu ist es übrigens ganz zufällig gekommen:

Mein Freund und ich mieten im Urlaub am Liebsten private Ferienhäuser. Bei der Auswahl der Unterkunft versuche ich, anhand der präsentierten Bilder das Raumgefüge eines Hauses zu erfassen, was nicht immer ganz einfach ist. Ob mir das gelungen ist, zeigt sich, wenn ich dann das gebuchte Ferienhaus zum ersten Mal betrete. Einmal war ich dabei von einer vermeintlich unattraktiven Ferienwohnung so begeistert, dass ich gleich neue Bilder gemacht habe, um sie dem Vermieter zur Verfügung zu stellen. Er nützt sie seither für seine Inserate.

discover GERMANY: Was schätzen Ihre Kunden an Ihrer Arbeit am meisten?

Ilona Mari: Bei meiner Arbeit nehme ich mir die Zeit, um mich auf Geschichten einzulassen. Ich freue mich über jede Information über das Gebäude, die mir der Auftraggeber verrät. Nach einer ersten Begehung der Location lasse ich die Formensprache der Räume auf mich wirken, um die Aussage des jeweiligen Objektes zu ergründen, damit jedes Haus seine individuelle Präsentation erhält.

Natürlich spielen auch Licht und Wetter bei Ferienobjekten eine große Rolle. Um die authentische Stimmung eines Raumes zu erfassen, arbeite ich hauptsächlich mit natürlichem Licht und helle dunkle Raumbereiche nur zur Unterstützung mit Blitzlicht auf. Ermöglicht die Wettersituation einmal keine zufriedenstellenden Bilder ohne den Einsatz von Kunstlicht, so komme ich lieber bei besseren Lichtverhältnissen wieder, um den Raum im bestmöglichen Licht zu präsentieren.

Meine Kunden schätzen diese Bereitschaft, mitunter über die vereinbarte Shooting-Dauer hinaus zu arbeiten, um eine optimale Darstellung der Stimmung in ihren Räumen zu erzielen.

Interview am 11. 09. 2017, erschienen in discover GERMANY, issue 55, October 2017